Herr Dustmann, unser Magazin heißt „Regional genial“. Was macht unsere Region so genial?
Es gibt viele gute Gründe. Der wichtigste Grund sind sicherlich die Menschen. Sie sind ehrlich und bodenständig, humorvoll und tolerant, anpackend und wissbegierig. Auch deshalb hat unsere Region den Strukturwandel von der Montanindustrie hin zur modernen Dienstleistungsgesellschaft und zum technologieorientierten Produktionsstandort so gut hinbekommen.
Rund 50.000 Studierende sind an unseren Hochschulen eingeschrieben, das Kultur- und Freizeitangebot ist riesig und die Lebensqualität hoch. Wir leben und arbeiten hier mitten im Herzen Europas und können unsere Nachbarn in kurzer Zeit erreichen.
Es gibt also sehr viele Pluspunkte, die für unsere Region sprechen.
Was tragen Unternehmen dazu bei?
Der ehemalige Bundeswirtschaftsminister und Bundeskanzler Ludwig Erhard hat mal den schönen Satz gesagt: „Wirtschaft ist nicht alles, aber ohne Wirtschaft ist alles nichts.“
Ganz wichtige Akteure der Wirtschaft sind nun mal die Unternehmen, rund 57.000 IHK-Mitgliedsunternehmen gibt es allein in Dortmund und Hamm sowie dem Kreis Unna.
Den Wert von Unternehmen kann man kaum hoch genug einschätzen. Sie sorgen für Wachstum und Wohlstand, für Bildung, Innovationen und auch für gesellschaftlichen Zusammenhalt.
Ich möchte das ausdrücklich betonen, weil es im öffentlichen Diskurs bisweilen zu kurz kommt: Unternehmerinnen und Unternehmer übernehmen sehr viel soziale Verantwortung.
Der Fachkräftemangel ist ein großes Problem. Was können die Unternehmen tun? Wie können die Unternehmen unterstützt werden?
Der demografische Wandel stellt die Unternehmen vor große Herausforderungen. Die Baby-Boomer gehen nach und nach in Rente, gleichzeitig reicht die Zahl der Schulabgänger nicht aus, um die entstehende Lücke zu schließen. Für Unternehmen wird es deshalb immer wichtiger, sich attraktiv zu präsentieren und Bewerberinnen und Bewerber von ihren Vorzügen zu überzeugen.
Gleichzeitig müssen die angestellten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter langfristig gebunden werden. Das geht nur über ein wertschätzendes Miteinander, gute Weiterbildungsangebote und angemessene Karriereperspektiven.
Unsere Wirtschaft braucht ein deutliches Plus bei der qualifizierten Zuwanderung, mehr Inklusion und bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf.
Es braucht aber auch einen veränderten Blick auf unser System der dualen Berufsausbildung. Das deutsche System mit der Kombination aus theoretischen und praktischen Inhalten ist weltweit anerkannt und seit vielen Jahrzehnten ein wichtiger Pfeiler unserer gut funktionierenden Wirtschaft.
Zukünftig wird es gerade im Bereich der beruflich ausgebildeten Fachkräfte große Engpässe geben. Hier müssen wir noch stärker gegensteuern, den Wert der dualen Berufsausbildung betonen und das Image verbessern. Deshalb haben wir als IHK-Organisation im Frühjahr die große bundesweite Imagekampagne „Jetzt#Könnenlernen – Ausbildung macht mehr aus uns“ gestartet.
Die Unternehmen haben mit vielen aktuellen Schwierigkeiten zu kämpfen. Trotzdem dürfen Zukunftsfragen nicht aus dem Blick verloren werden. Wie meistern die Unternehmen den Spagat?
Für die meisten Unternehmen ist dieser Spagat Routine. Gerade bei Familienunternehmen, dem Rückgrat unserer mittelständischen Wirtschaft, gehört langfristiges Denken zur DNA, denn auch die nachfolgende Generation soll eine verlässliche Basis für ihre Arbeit haben.
Die aktuellen Herausforderungen sind in der Tat sehr anspruchsvoll. Neben dem Fachkräftemangel und den hohen Energiepreisen belasten internationale Konflikte und Kriege unsere Unternehmen, müssen wir die Verkehrswege ertüchtigen, unsere Wirtschaft digitalisieren und klimafreundlich umgestalten.
Ich bin allerdings zuversichtlich, dass wir dies schaffen. Auch der Strukturwandel war eine Mammutaufgabe. Aber wer hätte damit gerechnet, dass wir – trotz der verbliebenen Probleme – so erfolgreich sein würden?
Diese Erfahrungen werden uns auch jetzt helfen. Allerdings benötigen wir Rückendeckung aus der Politik. Ideologien bringen uns nicht weiter. Es braucht mehr Engagement und Pragmatismus, dann können wir die Herausforderungen meistern. Verantwortungsvolles und nachhaltiges Wirtschaften in der Tradition des Leitbildes der „Ehrbaren Kaufleute“ ist aktueller denn je.
Welche Anstrengungen werden unternommen, um den wichtigen Themen wie Nachhaltigkeit und Klimaschutz gerecht zu werden?
Die Unternehmen nehmen ihre Verantwortung – die Corporate Social Responsibility – in der Region, aber auch national und international auf vielfältige Weise wahr.
Nachhaltigkeit bedeutet dabei, wirtschaftlichen Erfolg mit ökologischen, sozialen und gesellschaftlichen Aspekten zu verbinden. Denn sowohl gesamtwirtschaftlich als auch aus betrieblicher Perspektive ist es sinnvoll, heute zu handeln und das Engagement zu erhöhen, um Schäden in der Zukunft zu vermeiden und auch zukünftigen Generationen wirtschaftlichen Erfolg zu ermöglichen.
Um die Energiewende rechtzeitig zu schaffen und das Angebot an grüner Energie auszuweiten, ist deutlich mehr Tempo bei der Umsetzung notwendig. Dies gilt sowohl für den Ausbau erneuerbarer Energien als auch bei Speichern, Elektrolyseuren, der Netzinfrastruktur und allen weiteren für die Energiewende notwendigen Technologien
Wir gehen in großen Schritten Richtung Jahresende. Deshalb ist schon ein Resümee erlaubt: Wie fällt in Ihren Augen die Bilanz für den Einzelhandel 2023 aus?
Die Bilanz ist gemischt. Nach den massiven Einschränkungen während der Pandemie hat sich die Lage für den stationären Einzelhandel etwas stabilisiert. Aber Fachkräftemangel und Energiekosten sowie der Wettbewerb mit dem Onlinehandel bleiben große Herausforderungen, zumal sich Innenstädte und Stadtteilzentren nicht immer von ihrer besten Seite zeigen.
Doch sie sind die gesellschaftlichen Mittelpunkte einer Stadt. Zu den Ansprüchen der Besucherinnen und Besucher gehören neben den Einkaufsmöglichkeiten attraktives öffentliches Grün, Sauberkeit und eine gute Erreichbarkeit. Zudem gewinnt der vielseitige Nutzungsmix aus Einkaufen, Gastronomie, Dienstleistungen und Wohnen verstärkt an Bedeutung. Hieran müssen alle Akteure gemeinsam arbeiten.
Und was erwarten Sie für 2024? Sehen Sie mit Optimismus ins nächste Jahr?
Ja, natürlich. Unternehmer sind von Natur aus Optimisten. Aber auch Optimisten müssen Realisten sein und insofern glaube ich, dass unsere Wirtschaft auch 2024 mit vielen Herausforderungen konfrontiert sein wird. Ich persönlich wünsche mir mehr Frieden in dieser Welt und hoffe, dass viele Konflikte endlich beigelegt werden können. Und was die EURO 2024 in Deutschland und in Dortmund betrifft, so bin ich sogar sehr zuversichtlich. Ich glaube, unsere Stadt wird sich von ihrer besten Seite zeigen und in ganz Europa neue Freunde gewinnen. Interview: Alexandra von Braunschweig