Eigentlich wollte man in Heeren-Werve nach dem Abbau der alten Orgel aus Kostengründen eine „Second-Hand“-Orgel aus England einbauen. Beim versuchsweisen Aufbau stellte sich jedoch heraus, dass diese weder von der Optik, noch vom Klang her in die Kirche passte.
Also entschied man sich dazu, die Orgelbaufirma Lobback aus Büren mit der Erstellung eines Entwurfsprospekts zu beauftragen. Dieser wurde im April 2022 von der Denkmalbehörde der Stadt Kamen genehmigt. Beim Neubau der Orgel werden 56 denkmalgeschützte Pfeifen der alten Orgel wieder Verwendung finden.
Laut Dietmar Franke, Geschäftsführer bei Lobback, ist die Klangfarbe dieser historischen Walcker-Pfeifen heute wieder sehr beliebt. Die Firmenname Walcker steht außerdem für eine besonders hohe Qualität. Die 56 vorhandenen Orgelpfeifen bilden ein komplettes Manual. „Vor Beginn der Planung standen diese Pfeifen schon da, und wir wussten, wie sie klingen, darauf haben wir den Orgelentwurf aufgebaut,“ erläutert Franke. Es sei auch kostengünstiger, dass diese alten Orgelpfeifen wieder eingesetzt werden konnten. Pro Pfeifenneuguss wären je nach Pfeifengröße ab 1000 bis zu 10.000 Euro Kosten dazu gekommen.
Die gesamte Orgel ist ein Unikat. Bis auf die Pfeifen und den Spieltisch wird alles in Handarbeit angefertigt. Das zum Bau verwendete Holz ist außen Eiche und innen American Whitewood. Zwei Abordnungen der Kirchengemeinde konnten den Orgel-Rohbau schon in der Firmenwerkstatt besichtigen. Der Architekt Burkhard Bürger, der die Bauarbeiten im Kirchenkreis Unna begleitet zeigte sich beeindruckt von der Mechanik, die in diesem Instrument steckt. „Weil die Orgel noch im Rohbau war, konnten wir sehen, wie alles funktioniert. Wahnsinn, was durch die Mechanik darin alles regelbar ist. Und welche Anschlaggenauigkeit erzielt werden kann.“
Kreative Alternativen
Die Orgelbauer wurden vor und während des Baus schon vor einige Herausforderungen gestellt. Ein Beispiel: Eine besonders tiefe Orgelpfeife im Register „Oboe“ hätte des Klangs wegen eigentlich 2,50 Meter lang werden müssen. „Sie hätte über alles drüber weggeguckt und hätte das Bild der Orgel zerstört,“ so Dietmar Franke. Also habe man mit dem Pfeifenhersteller nachgedacht. Dieser habe dann den „Haskell-Kropf“ angewandt. Ein Prinzip, das zwar bereits bekannt ist, vom Pfeifenbauer für dieses Register aber noch nie angewandt worden sei. Damit das funktionierte „musste er sich einiges einfallen lassen.“ Es geht grob beschrieben darum, dass die fehlende Länge der Orgelpfeife ersetzt wird. Die Luft, die durch die Orgelpfeife geschickt wird, wird nun vorab durch von außen unsichtbare Windungen gelenkt und erzeugt so den gewünschten tiefen Ton.
Selbst wenn die Orgel jetzt schon recht fertig aussieht, sie ist es leider noch nicht. Bis die Kamener sich ein Bild davon machen können, wie ihre neue Orgel klingt, wird es noch dauern. Durch die in allen Gewerken herrschenden Lieferprobleme haben sich schon einige zeitlichen Verschiebungen im Bau der Orgel ergeben. Der Auftrag zum Neubau einer kompletten Orgel ist seit sieben Jahren der erste für den Betrieb. Die seit 60 Jahren bestehende Firma hat insgesamt schon 150 bis 200 Orgelneubauten durchgeführt. Aufgrund des Mitgliederschwundes in vielen Kirchengemeinden ist der Neubau einer Orgel heute allerdings zur Seltenheit geworden.
Die meisten Arbeiten drehen sich für die Orgelbauer heute darum, bestehende Orgeln zu warten oder zu sanieren. „Es gibt viele interessante Sanierungsgeschichten,“ so Franke.
Wenn die Orgel für Heeren-Werve in seiner Werkstatt ab- und in der Kamener Kirche aufgebaut wird, ist das noch nicht das Ende seiner Arbeit, denn dann geht es darum die Orgel zu stimmen und vor allem darum den Orgelklang auf die Kirche abzustimmen- sie zu intonieren. Diese Feinarbeit vor Ort dauert nach dem Aufbau und dem Anschluss der Elektrik noch einmal gute vier Wochen.
Wer sich fragt, was genau noch getan werden kann, um den Klang der fertigen Orgel an den Raum zu passen: Zum einen wird die Lautstärke angepasst. Zum anderen wird der Charakter des Klanges abgestimmt. Der Klang kann sowohl weicher als auch härter gemacht werden. Um die Töne zu verändern werden gegebenenfalls sogar die Orgelpfeifen nachbearbeitet. Das Material aus Zinn/Blei kann leicht gebogen oder die Ausschnitte der Pfeifen noch verändert werden.
Kontrolle nach der Fertigstellung
Wenn die Orgel dann endlich in die Hände der Gemeinde übergeht, wird es die Aufgabe des Bauteams sein, dafür zu sorgen, dass das neue Instrument nicht durch Raumfeuchtigkeit Schaden nimmt. Architekt Bürger berichtet, dass die Kirchenräume feuchteüberwacht werden. Eigentlich seien Orgeln sehr robuste Instrumente. Temperaturschwankungen würden sie vertragen. Aber: Mögliche Schimmelbildung in den Orgelkammern sei ein Problem. Eine Schimmelsanierung bei einer Orgel verursacht im Kirchenetat eine Lücke von 20.000 bis 50.000 Euro, so Bürger. Die Luftfeuchtigkeit darf also nicht zu hoch sein. Im Winter ist zu bedenken, dass die Gottesdienstbesucher auch die Luftfeuchte einer Kirche steigern. Im vergangenen Jahr, als wegen des Ukrainekrieges auch Kirchen weniger beheizt wurden, hat man auch teilweise Gottesdienste in Gemeindehäuser verlegt. Manche Kirchenorgel wurde zum Schutz vor Schäden verpackt.
Darüber nachzudenken, ist allerdings in Heeren-Werve hinsichtlich der neuen Orgel vorerst müßig, denn dort wird wohl die Ersatzorgel noch eine Weile ihren Dienst tun müssen.