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TV Südkamen: Fliegende Wurfscheiben auf hohem Niveau

Acht Spielerinnen in Nationalteams und etwa 30 bis 40 Aktive in der Ultimate-Frisbee-Abteilung. Dazu Try-Outs für Jugendliche zweimal im Jahr

Aus Kamen zur Meisterschaft: Teilnahmen wie hier Rebecca Reimann bei der EM 2017 in Veenendaal (Niederlande) ist für die Akteurinnen des TV Südkamen keine Seltenheit mehr.. FOTO: TV SÜDKAMEN

Eine Frisbeescheibe haben wohl die meisten von uns schon einmal in Händen gehalten und sie spaßeshalber auch geworfen oder gefangen. Dass daraus auch ein sehr anspruchsvolles Hobby werden kann, ist in Kamen vor allem der frühen Ultimate-Frisbee-Begeisterung des ersten Vorsitzenden des TV Südkamen 1986 e.V. zu verdanken. 

Zuerst flog die Scheibe für den Boarder-Collie

Uwe Kikul erzählt, dass ihn in den 1980er-Jahren einmal ein etwa dreiminütiger Trailer zu dieser Sportart in einer Fernsehsendung besonders beeindruckt hat. Zunächst vergaß er das zwar wieder, aber als er auf der Suche nach Frisbee-Tricks für das Training mit seinem Hund, einem lernbegierigen Boarder-Collie war, „ploppten“ im Internet auch Infos zu dieser seltenen Sportart wieder auf und es hat ihn gereizt, das selbst einmal auszuprobieren.

Da gerade Sommerferien waren und es keine Möglichkeit gab, sein eigentliches Hobby Badminton auszuüben, rief er kurzerhand ein paar seiner sportbegeisterten Freunde zusammen, las sich die Grundzüge des Regelwerks auf der Verbandswebsite des Deutschen Frisbeeverbandes an, und spielte mit ihnen „Ultimate Frisbee“.

Eine wilde Truppe

Die lose Trainingsgemeinschaft, eine „wilde Truppe“, wie Kikul erzählt, bestand drei Jahre lang. Dann kamen aber auch schon Anfragen, vor allem von Jugendlichen, ob sie nicht mitspielen könnten und „es kam, wie es kommen musste“, die Gruppe schloss sich dem TV Südkamen an. Durch den Vereinsanschluss hatten die Ultimate-Frisbee-Spieler eine sichtbare Plattform. Das ohnehin schon große Interesse an ihrer Sportart wurde noch weiter befeuert, als Uwe Kikul 2013 einen sechs Doppelstunden langen Grundlehrgang „Ultimate Frisbee“ an einer Schule anbot. Anschließend wollten noch mehr Jugendliche mitmachen als vorher. Ausgerechnet die 12-jährige Rebecca Reimann, die schon in der zweiten Doppelstunde durch großes Talent auffiel, musste jedoch erst überzeugt werden, zum Vereinstraining zu kommen.

Try-Outs für Jugendliche gibt es zweimal im Jahr

Ein Jahr später schickte der Verein sie bereits zu einer der Sichtungen, den Try Outs für die deutsche Nationalmannschaft. Zu dem Zeitpunkt klappte es zwar noch nicht, aber bei der nächsten Sichtung in 2015 wurde Rebecca Reimann als erstes Vereinsmitglied in die deutsche U17-Nationalmannschaft der Damen aufgenommen und diese wurde im selben Jahr deutsche U17-Vizemeisterin.

Das wiederum gab ein tolles Feedback im Verein. „Diese jungen Leute damals wollten sehr viel machen, auch sehr viel trainieren“, so Uwe Kikul. Diese Einstellung der ganz jungen Spielerinnen und Spieler und die Erfahrungen, die die Nationalspielerin überregional sammelte, wirkten sich positiv auf die ganze Abteilung aus.

Eine große Abteilung von Frisbee-Fans

Aktuell gehören der Ultimate-Frisbee-Abteilung in Kamen etwa 30 bis 40 Aktive an. Viele von ihnen kommen aus Kamen, manche auch aus dem weiteren Umland wie Fröndenberg oder Werne. Die weiteste Anreise hat derzeit eine Spielerin aus Enschede. Die jüngsteAktive in Kamen ist gerade einmal 7 Jahre alt, der älteste Spieler, Uwe Kikul selbst, wird bald schon 59. Das sei möglich, wenn man sich „abrackert“ meint er

Ein großes Plus in der Sportart sei zum einen, dass man keinen anderen Spieler berühren dürfe - auch wenn das versehentlich manchmal natürlich vorkomme - und dass es Mixed Teams aus Damen und Herren gäbe. Die Stimmung sei deswegen anders, „als wenn nur Kerle zusammen sind.“

Die Würfe sollten bei Teamkollegen ankommen

Ultimate Frisbee ist eine schnelle Sportart, auch konditionsintensiv, aber für Interessenten sei es meistens machbar, so Kikul. Zuerst wird die Wurfpräzision trainiert, denn alle Spieler bewegen sich auf dem Feld und es ist nötig, die Scheibe an eigene Mitspieler geworfen zu bekommen, sonst ist die gegnerische Mannschaft am Zug.

Faktoren wie der Wind, das Tempo, in dem sich Mitspieler bewegen, und auch der Sonnenstand, der unter Umständen darüber entscheidet, ob ein Mitspieler die Scheibe fangen kann oder nicht, müssen mitbedacht werden.

Nicht unbedingt eine Sportart für Fußballer

Bei der Sportart sind neben einer gewissen Fitness und Ausdauer auch Konzentration und Fangen wichtig. Alle sind prinzipiell immer in Bewegung. Jeder ist „alles“ in einer Person, die Aufgaben werden nicht so aufgeteilt wie bei anderen Sportarten, auch wenn es einen bestimmten Teamaufbau ebenfalls gibt. Das Spiel besteht für jeden aus vielen kurzen Sprints, Schnelligkeit ist also gefragt, wenn Spieler der gegnerischen Mannschaft schon einmal über 70 Meter verfolgt werden müssen. „Es ist nicht ohne“ meint Uwe Kikul dazu. Ein Fußballer habe mal nach nur 15 Minuten Probetraining gerufen „Ihr seid doch alle bekloppt, ich lege mich jetzt hier in die Wiese.“

Was auch völlig anders ist, als in den weitverbreiteten Mannschaftssportarten wie Fußball, Volleyball oder Basketball: Es gibt keine externen Schiedsrichter. Das ist etwas, was Uwe Kikul an seinem Sport besonders mag. Jeder, der meint, dass gerade ein Regelverstoß passiert ist, kann „Callen“ - also rufen. Dann wird das Spiel kurz eingefroren, alle Spieler bleiben stehen, der Caller schildert seine Sicht auf die Regelverletzung, das betreffende Gegenüber hat kurze Redezeit, und je nachdem, ob Einsicht besteht, oder nicht, geht es weiter.

Blitzschnelle Entscheidungen

Wenn einvernehmlich ein Regelverstoß akzeptiert wird, bekommt der benachteiligte Spielende die Scheibe. Falls nicht, wird der letzte Wurf quasi ungeschehen gemacht und alle gehen auf die Position zurück wo sie sich vor diesem Spielzug befunden haben. Deswegen wird das Spiel aber keinesfalls langatmig, denn solche Unterbrechungen dauern meistens nur insgesamt 30 Sekunden. Uwe Kulik findet jedenfalls, dass das Tollste an Ultimate-Frisbee ist, dass es trotz jedes Wettkampfgedankens und bei allem Einsatz im Normalfall immer noch freundlich bleibt. Niemand wird von den Füßen geholt, auch wenn unfreiwillige Zusammenstöße natürlich passieren können.

Für die Jüngeren ist das Fehlen von Schiedsrichtern erst einmal ungewohnt und erstaunlich. „Dann können wir ja machen, was wir wollen,“ heißt es zu Beginn oft. Das Dumme sei nur, dass deswegen jeder die Regeln gut kennen muss, erwidert Kikul dann, denn jeder Spielende muss selbst dafür sorgen, dass er oder sie nicht benachteiligt wird. Jeder muss lernen, selbst die Stimme zu erheben zum Call, muss sich gegebenenfalls während des Spiels Gehör verschaffen und dann auch zuhören, was der Mitspielende dazu sagt.

Diese Bedingungen schulen die Sozialkompetenz der Spielenden. Jemand fühlt sich womöglich stark abgedrängt, ruft, es wird geredet und dann ist es wieder gut, das funktioniert im Normalfall auch schon bei den Spielen der U-14-Teams zur deutschen Meisterschaft, so Kulik. Natürlich sind die großen Turniere mit meistens um die 28 teilnehmenden Teams aus allen Teilen Deutschlands sehr beeindruckend, vor allem für die Jüngeren. „Als wir 2022 erstmalig nach Corona mit der U-14 wieder zu einer Deutschen Meisterschaft fahren konnten, war das natürlich ein Highlight.“

Ein Teil des Teams bei einem Training in 2023. FOTO: TV SÜDKAMEN
Ein Teil des Teams bei einem Training in 2023. FOTO: TV SÜDKAMEN

Eltern müssen mitziehen

Für die Eltern der Nationalspielerinnen und Nationalspieler ist diese Phase mit großen Herausforderungen verbunden, sowohl zeitlich wie auch finanziell. Eine Saison kostet, inklusive der Trikots, die selbst finanziert werden müssen, schon einmal bis zu anderthalb Tausend Euro. Und die Jugendlichen haben von Februar bis August jeden Monat einmal ein Spiel in einer zumeist weit entfernt liegenden deutschen Stadt, zu dem sie jeweils gebracht werden müssen. Für ein Spiel nach Nürnberg zu fahren ist keine Seltenheit.

Weiterhin mitmischen

Dass trotz dieser Herausforderungen weiterhin die Teams vom TV Südkamen jedes Jahr bei den Nationalteams der verschiedenen Altersstufen mitmischen wünscht sich Uwe Kikul. Die Spiele und die deutschen Meisterschaften werden jeweils von Vereinen des deutschen Frisbeeverbandes ausgerichtet.

2019 fanden die deutschen Meisterschaften auch in Kamen statt. „Das war ein Riesenaufwand,“ beschreibt Uwe Kikul die Organisation.„Es waren 336 Spielende da plus deren Eltern und Trainer. Die Vorbereitungen haben etwa ein Jahr gedauert und es waren einige Eltern konstant damit beschäftigt.“

Bei solchen Treffen steht vor allem das Sportliche im Vordergrund. Für ein Begleitprogramm seien die jungen Teilnehmenden nach dem Abendessen sowieso zu müde, da der Spielplan sehr dicht sei, aber es sei auch schwierig, über das Sportliche hinaus noch Programm zu finanzieren. Den Angereisten aus Berlin oder München wolle schließlich niemand weitere Kosten in Form von Eintrittsgeldern oder Startgebühren aufbürden, es geht vielmehr darum, die Veranstaltung für alle so kostengünstig wie möglich durchzuführen.

Auch für alle übrigen Zuschauer ist der Eintritt zu den Ultimate-Frisbee-Veranstaltungen kostenlos. Wer sich über Termine oder Trainingszeiten informieren möchte, kann das auf der Vereinswebsite tun. Dort gibt es auch Infos zu allen anderen Sportangeboten des TV Südkamen. tvs-kamen.de