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Fröndenberg: Die Geschichte mit der verschmähten Steckrübe

Im Zuge einer Straßenbenennung war sie kurzzeitlich in aller Munde: die Steckrübe / Wir blicken auf ihre Bedeutung für Fröndenberg - und darauf, welche Sagen sich um die Feldfrucht ranken

Es gab schon 1999 ein Steckrübenfest auf dem Ardey. Das kleine Bild zeigt die vermutliche Burg Ardey. FOTOS: KLAUS BÖNING

Wenn neue Straßen entstehen, dann gehört zu dem Prozess auch immer eine Suche nach dem passenden Namen der Kirschblütenweg im Baugebiet „Auf dem Buhrlande“ in Ardey ist da keine Ausnahme. Und wie die Bezeichnung verrät, hat man auch einen Namen gefunden, eben den „Kirschblütenweg“. 

Besagte Kirschblüten sucht man in diesem Bereich jedoch vergeblich und auch in Zukunft werden dort andere Bäume den Wegesrand säumen. Daher brachte Ortsvorsteher und Ortsheimatpfleger Klaus Böning den Vorschlag ein, die neue Straße mit einem Bezug zum Ort zu benennen: „Steckrübenweg“.

Denn das Dorf Ardey war lange Zeit bekannt für den Steckrübenanbau, bis in die 1980er-Jahre hinein. Auf dem Buhrlande herrschten Anbaubedingungen beste für die Steckrübe, bevor das Areal zum Baugebiet erklärt wurde. Rein theoretisch können dort in früherer Zeit auch einmal Kirschbäume gestanden haben, aber zumindest bis in die 1960er-Jahre hinein ist der Rübenanbau dort durch den Landwirt Heinrich Kötter bezeugt worden.

Sowohl die Steckrübe wie auch die Kirsche sind erst nach dem Mittelalter Deutschland heimisch geworden: Die Kirsche stammt ursprünglich aus Kleinasien und findet sich seit dem 16. Jahrhundert als Sauer- und Süßkirsche in ganz Deutschland. Die Steckrübe wurde im 17. Jahrhundert aus Skandinavien importiert und hieß deswegen zunächst hierzulande auch „Schwedische Rübe.“

„Arme-Leute-Essen?“

Möglicherweise wird diese Ackerfrucht von vielen bewusst oder unbewusst noch mit Hungerzeiten in Verbindung gebracht, denn die Steckrübe wurde schon mehrfach zur Nahrungsreserve für die deutsche Bevölkerung auserkoren, beispielsweise ab Herbst 1916, als die Kartoffelernte schlecht ausgefallen war.

In solchen Zeiten kamen zuerst vor allem Steckrüben-stampf und Steckrübensuppe auf den Tisch. Und die Not machte erfinderisch, sodass es ab 1917 einige neue Rezepte gab, sogar für Steckrüben-Kaffee und Steckrüben-Marmelade.

Trotzdem oder auch gerade deshalb: Die Beliebtheit der Rübe hielt sich in Grenzen, sogar nach dem Hungerwinter blieben etliche Tonnen Steckrüben aus der Reserve der „Reichskartoffelstelle“ übrig, die schließlich zu Mehl verarbeitet wurden.

Vielleicht lag der unvollständige Verbrauch an langsamen Transportwegen. Möglicherweise hatten die Menschen aber in dem Winter auch schon zu viele Rüben gegessen.

In weniger knappen Zeiten wurden die weißen Rüben vor allem als Futter für die Schweine verwendet, die gelbfleischigen wurden gekocht.

Aufwändiger Anbau

Laut Landwirt Kötter verursachte der Steckrübenanbau eine Menge Arbeit: Die Rüben wurden zuerst im Garten vorgezogen, da sie nur geringe Frostgrade vertragen können, dann von Hand auf dem Feld ausgepflanzt und im Herbst wiederum von Hand geerntet, in Reihen ausgelegt, vom Stielansatz befreit und auf den Erntewagen geworfen. Heute werden Steckrüben in Deutschland nur noch auf wenigen Flächen angebaut.

Sagenhafte Idee

Es gibt noch eine weitere sagenhafte Geschichte, die sich um die Steckrübe dreht. Allerdings kann es sich bei der Geschichte von einer durch List beendeten Belagerung nur um eine Legende handeln. Angeblich sollen die Kölner die Burg Ardey im 14. Jahrhundert schon längere Zeit belagert haben, als die dort verschanzten Fröndenberger vor lauter Verzweiflung mit ihren letzten Steckrüben nach den Belagerern geworfen haben. Die Kölner waren schockiert, dass die Fröndenberger immer noch genügend Lebensmittel vorrätig hatten, um mit ihnen zu werfen, und gaben laut Erzählung die Belagerung deswegen auf.

Falls sich diese Geschichte auf Burg Ardey abgespielt haben sollte, wäre die Steckrübe schon früh ein gut gehütetes Geheimnis der Fröndenberger gewesen, da sie ja erst im 17. Jahrhundert in Deutschland bekannt wurde. Vermutlich also eine frei ausgemalte Geschichte vom Lagerfeuer.

Kirschblüte beliebter

Dennoch hat der Ort Ardey offensichtlich einen engeren Bezug zur etwas derben Ackerknolle als zur Fruchtblüte. Dass die Steckrübe keine Chance hatte, liegt also womöglich am schlechten Image, das ihr auch weiterhin anhaftet.

Klaus Böning hat jedenfalls seinen Vorschlag zurückgezogen, als der „Kirschblütenweg“ auf Anhieb mehr Zuspruch bekam. Vielleicht gibt es in der Zukunft noch einmal die Chance, der einstigen Fröndenberger Besonderheit ein Denkmal zu setzen, damit die lokale historische Bedeutung der Rübe nicht in Vergessenheit gerät.