BVB Vize-Meisterschaft - Kopf hoch, Jungs! Anzeige

Spielfilm des Dortmunder Dramas

Borussia Dortmund vergeigt im letzten Saisonspiel die Deutsche Meisterschaft. Das 2:2 gegen Mainz ist zu wenig, weil die Bayern spät das 2:1 in Köln erzielen. Erst riesige Euphorie, dann gelähmtes Entsetzen auf den Rängen. Die BVB-Profis am Boden. Die Chronik eines Dramas.

Tränen, Trauer, Trostlosigkeit: Borussia Dortmunds Trainer Edin Terzic und die Fans müssen nach dem verpassten Meistertitel einen neuen Anlauf nehmen im nächsten Jahr. FOTOS KIRCHNER

Der Spielfilm der Trägodie vom 27. Mai 2023 – ein Tag, den alle BVB-Fans nicht so schnell vergessen werden.

› 15.20 Uhr: Warm-up: Es knistert in der schwarzgelben Kathedrale: „You’ll never walk alone“ dröhnt aus den Boxen und zig Tausenden Kehlen. Der Dezibelmesser steigt auf 110 – so laut war es im Stadion vor Anpfiff wohl noch nie. Siegessicher, freudetrunken, sangeslustig: Die BVB-Fans nehmen Fahrt auf. „Wir haben es in der Hand“ steht auf dem 30 Meter langen Banner vor der Südtribüne. Überall Zuversicht.

› 15.30 Uhr: Anpfiff: Pyrotechnik auf der Südtribüne, die Rauchschwaden lichten sich nur langsam. Behalten die BVB-Profis den Durchblick und bei maximaler Anspannung die Nerven?

› 15.40 Uhr Zwischenstand: 1:0 für den FC Bayern in Köln. Das Ergebnis wird im Stadion nicht eingeblendet. Die Konsequenz: Dortmund muss siegen.

› 15.45 Uhr: Das 0:1: Andreas Hanche-Olsen köpft eine Ecke für die Gäste zur Führung ins Tor. Sofort reagiert das Publikum: Das ganze Stadion steht auf. „Auf geht’s Dortmund, kämpfen und siegen!“

› 15.48: Die Mega-Chance:
Schiedsrichter Marco Fritz gibt nach VAR-Eingriff und Review Strafstoß für den BVB. Raphael Guerreiro war gefoult worden. Der zuletzt so treffsichere Sebastien Haller tritt an. Schießt halbhoch nach rechts. Mainz-Keeper Finn Dahmen pariert. Haller bleibt sekundenlang regungslos stehen. Der musste sitzen!

› 15.54 Uhr: Ein Drama bahnt sich an: Mainz-Stürmer Karim Onisiwo köpft frei aufs BVB-Tor. Gregor Kobel ist noch mit den Fingerspitzen dran, der Ball trudelt schneckenlangsam vom Innenpfosten über die Linie. 0:2! Reservist Nico Schlotterbeck steht an der Außenlinie, verzweifelt, rudert mit den Händen. Die Anfeuerungen von den Tribünen kommen, werden aber leiser. Dortmund braucht jetzt drei Tore. Karim Adeyemi hat einen Krampf im Bein. Seine Kollegen krampfen im Kopf. Julian Brandt vergibt gleich die nächste dicke Chance.

› 16.20 Uhr: Halbzeit: Vereinzelt Pfiffe, das Stadion wird ruhiger. Lange Gesichter. Entsetzen, Fassungslosigkeit. „Das kann doch nicht wahr sein“ ruft einer und schlägt die Hände vors Gesicht. Welche Reaktion, welche Antworten haben Trainer und Team nach der Pause? BVB-Boss Hans-Joachim Watzke bleibt steif auf seinem Ehrenplatz sitzen. Es brodelt. Bei ihm innerlich.

› 16.34 Uhr: Aufholjagd:
Der BVB ist zurück auf dem Platz. Verhaltene Aufmunterung. Die Angst lähmt die ersten Fans. Pfiffe für die Gäste, die sich Zeit gelassen haben. Zeit, die der BVB nicht mehr hat. Weiter geht’s! Jetzt stehen alle. Klatschen. Bangen. Hoffen. Das Comeback des Jahrzehnts? Oder die schlimmste Niederlage seit Wembley 2013?

› 16.49 Uhr: Verflixt: Dortmund drückt, Dortmund drängt. Mats Hummels und Haller bringen eine Vorlage nicht im Tor unter. Noch eine halbe Stunde zu spielen. Das Publikum gibt alles. Doch die meisten Flanken fliegen weit am Zielspieler vorbei. Die Füße zittern. Die Fans auch. Donyell Malens Kullerball trudelt ins Aus. Terzic bringt den Julien Duranville. Debüt für den 17-Jährigen. Alles oder nichts!

› 16.57 Uhr: Chancenwucher: Youssoufa Moukoko verzieht. Die nächste Chance vergeben. „BeeVauBee“-Rufe auf allen Tribünen. Die Minuten rasen davon. So langsam wird’s knapp. Hummels spielt längst Mittelstürmer. Giovanni Reyna legt quer auf Guerreiro. Rechtsschuss, 1:2! Es knallt! Stadionsprecher Nobby Dickel: „Weiter, weiter, weiter!“ Noch 20 Minuten zu spielen. Das ganze Stadion glaubt wieder dran!

› 17.08 Uhr: Wann?! Der BVB spielt Chance um Chance heraus. Marco Reus, Reyna. Das nächste Tor muss jetzt bald fallen.

› 17.11 Uhr: Jubel: Strafstoß für den 1. FC Köln. 1:1 gegen die Bayern, Dortmund wieder Erster! Die Tribünen beben! Was für ein Drama, was für ein Schock-Finale! Terzic zeigt seinen Spielern den Zwischenstand beim Parallelspiel an. Er wird auch im Stadion angesagt. Reicht ein 1:2 gegen Mainz, um Meister zu werden? Oder trifft München doch nochmal?

› 17.19 Uhr: Rolle rückwärts: 2:1 für die Bayern. Dortmund wieder Zweiter. Und kaum noch Zeit für die eigenen zwei Tore. Was soll man dazu noch sagen? Noch fünf Minuten … Der BVB verzweifelt. So sieht das auch immr wieder auf dem Platz aus. Haller trifft per Seitfallzieher. Kurzer Jubel, aber Abseits.

› 17.26 Uhr: Schluss in Köln: Die Bayern gewinnen 2:1. Der BVB braucht ganz flott noch zwei Tore. Und Süle trifft! 2:2, aber nur noch Sekunden auf der Uhr. Geht da noch was? Der letzte Angriff muss sitzen! Nein!

› 17.28 Uhr: Stille: Aus! Das war‘s! Dortmund am Boden. Das Stadion schweigt. Der BVB hat’s vergeigt. Die Spieler liegen am Boden. Da hilft kein Trost. Das ist unfassbar!

› 17.30 Uhr: Trost von oben:
Mats Hummels steht in Schockstarre auf dem Rasen. Marco Reus heult in sein Trikot. Doch die Südtribüne spendet Trost, feiert Edin Terzic, singt von „Dortmunder Jungs“ und „Borussia Dortmund wird nie untergeh‘n!“. Die Spieler klatschen am Zaun ab. Dann leert sich das Stadion. Diesen Tag hatten sich alle ganz anders vorgestellt. Jürgen Koers