Nach dem 2:2 gegen Mainz und der verspielten Deutschen Meisterschaft herrscht tiefe Trauer bei Borussia Dortmund. BVB-Sportdirektor Sebastian Kehl suchte nach Erklärungsansätzen und ordnete die vergebene Titelchance emotional ein.
Wie kann man Ihre Gefühlslage in Worte fassen?
Nicht nur ich, sondern jeder, der bei Borussia Dortmund arbeitet, und alle im Team spüren eine große Enttäuschung. Was wir alle gerade spüren, ist nicht zu beschreiben. Es ist eine riesige Leere.
Wie haben Sie den Spielverlauf erlebt?
Der Spielverlauf war sicherlich alles andere als optimal. Recht früh in Rückstand zu geraten und einen Elfmeter nicht zu nutzen, um ins Spiel zurückzukommen und kurz darauf auch noch das 0:2 zu kassieren - das hat das Spiel in seiner Gestaltung komplett anders werden lassen. Mainz hat nur noch verteidigt und gekontert. Wir haben dann eine ganze Zeit lang nicht die richtigen Mittel gehabt, das muss man so sagen. Wir haben zwar auch Tormöglichkeiten gehabt und hätten auch früher unsere Tore schießen können, aber das 2:2 kam einfach viel zu spät. Ich glaube, wenn wir das zehn Minuten früher schießen, dann sind wir noch mal richtig im Spiel. Man hat auch bei den Menschen im Stadion gemerkt, dass sie alle darauf gewartet haben, dass der Ausgleich früher fällt. Es war ein besonderer Moment, aber der ist nicht für uns gelaufen.
Werden Sie das Erlebte gemeinsam mit der Mannschaft verarbeiten?
Die Spieler haben ganz lange darauf hingearbeitet und einige werden uns verlassen. Daher hätte ich mir für jeden Einzelnen gewünscht, dass wir uns gerade in diesem Moment auf Sonntag vorbereiten und mit den Fans feiern. Aber so hart ist manchmal der Fußball. Ich weiß noch nicht genau, warum und weshalb das heute passiert ist. Vielleicht werde ich es nie erfahren. Aber es fühlt sich unglaublich schwer an.
Wie sehr schwirren Ihnen jetzt die anderen Momente im Kopf herum - die gegen Bremen, Stuttgart, Bochum? Es gab für den BVB ja viele Chancen.
Ich glaube nicht, dass wir zu viele Chancen in der Rückserie haben liegenlassen. Wir haben einige Punkte in der Hinrunde verschenkt, da standen wir auf Platz sechs. Die Rückserie war wirklich richtig gut. Das zeigen alle Daten, das zeigen alle Ergebnisse. Ich glaube, das brauchen wir uns nicht schlecht machen zu lassen. Natürlich war es heute in unserer Hand, das haben wir uns lange erarbeitet, darauf haben wir auch gehofft, dass wir diesen Moment selber nutzen können. Aber das sollte irgendwie nicht sein.
Durch den Elfmeter hätte der BVB schnell zurückkommen können. Warum hat statt Emre Can heute Sebastien Haller geschossen? War das vorher so besprochen?
Nein, das war vorher nicht besprochen. Ich weiß nur, dass Sebastien Haller in Frankfurt alle Elfer geschossen und verwandelt hat.
Haben Sie im Vorfeld eine besondere Nervosität festgestellt?
Dass es heute schon eine spezielle Situation war, war klar. Was heute den ganzen Tag hier los war, kann man ja nicht einfach abschütteln. Natürlich ist eine Anspannung da gewesen, die war heute auch größer als in den letzten Wochen. Ich hatte trotzdem ein gutes Gefühl, dass wir die Mannschaft gut auf die Dinge vorbereitet haben, dass wir einen guten Matchplan hatten. Aber am Ende ist das relativ schnell über den Haufen geworfen worden. Irgendwann ist dann natürlich auch ein bisschen Hektik aufgekommen. Es war teilweise wild, wir haben keine gute Positionierung mehr gehabt und wir haben viel durch die Mitte gespielt und uns nicht mehr die Momente erarbeitet, sondern es war mehr Zufallsprinzip. Das ist normal, weil man es unbedingt will, aber es war dann einfach nicht mehr gut.
War die Hypothek nach dem 0:2 einfach zu groß?
Wir hätten das 1:1 machen können. Das 0:2 war dann natürlich ein Nackenschlag und wir haben ein bisschen gebraucht, um uns davon zu erholen. Die Tore hätten früher fallen müssen. Es gab genug Chancen. Der Spielverlauf hat es aber für uns unglaublich schwer gemacht.
Der BVB hat nach elf Jahren mal wieder so dicht vorm Titel gestanden. Wie haben Sie die Fans nach Abpfiff erlebt?
Die Südtribüne hat relativ schnell nach Spielschluss versucht, die Mannschaft und das Trainerteam aufzufangen. Das war beeindruckend und das zeichnet diesen Klub auch aus. Die Menschen haben ein ganz starkes Gespür für solche schwierigen Momente. Das wird diesen Klub auch immer ausmachen und wird uns auch für die Zukunft helfen. Die Freude auf die nächsten Tage ist jetzt natürlich jäh gebremst. Die Enttäuschung kann ich ihnen auch nicht nehmen. Ich kann nur allen sagen, dass wir ab einem gewissen Moment wieder nach vorne schauen und angreifen werden. So wie die Fans es draußen gesungen haben: ,,Borussia Dortmund wird nie untergehn". Das fühlt sich heute ganz schwierig an. Aber wir werden wieder aufstehen.
Kann man die Spieler jetzt überhaupt aufrichten oder muss man etwas Zeit ins Land gehen lassen?
Wir werden uns am Sonntag noch einmal treffen und ein paar Worte an die Mannschaft richten. Das wird jetzt jeder Spieler mit sich selbst ausmachen müssen. Den Jungs werden sich gegenseitig Halt geben, denn es ist in den letzten Wochen sehr viel gewachsen und sehr viel Energie innerhalb der Truppe entstanden. Trotzdem sind das die Momente, die jeder mit sich nach Hause nimmt und mit seiner Familie durchgeht. Das wird ein bisschen brauchen. Die Spieler werden irgendwann auseinandergehen und wir werden irgendwann wieder zusammenkommen, in welcher Konstellation auch immer. Aber ehrlich gesagt geht mein Blick aber noch nicht so weit voraus, sondern ich bin im Hier und Jetzt.
Wenn Bayern selbst nach einer schwächeren Saison Meister wird, was bedeutet das für den deutschen Fußball?
Ich weiß nicht, ob das heute eine Aussage des deutschen Fußballs war. Ich glaube, insgesamt für die Bundesliga war das nicht gut. Ich glaube, insgesamt war es eine spannende Saison auf vielen Positionen Meisterschaft, Champions-League-Ränge, Abstiegsplätze. Es war eine der spannendsten Spielzeiten, die wir in den letzten Jahrzehnten erlebt haben. Aber der FC Bayern ist erneut Deutscher Meister geworden. Ich möchte trotz der Niederlage und Enttäuschung gratulieren, das gehört auch dazu. Aber alle haben sich das heute anders gewünscht. Trotzdem ist es nun mal so gekommen.
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