Besungen wurde es von Gottlieb Wendehals einst in der „Polonäse Blankenese“, erwähnt wird es seit Jahrzehnten regelmäßig in den Staunachrichten und genutzt wird es Tag für Tag von unzähligen Verkehrsteilnehmern: das Kamener Kreuz. Wohl nur wenige Verkehrsknotenpunkte sind so bekannt und berüchtigt - auch bei Menschen, die dort selbst noch nicht einmal hergefahren sind. Und das bereits seit Jahrzehnten: Denn seit dem 27. Oktober 1956 ist das Kamener Kreuz für den Verkehr freigegeben.
In einer Zeit, in der der Individualverkehr allmählich immer mehr an Bedeutung gewann, konnten Menschen aus nah und fern erstmalig über den Verkehrsknoten fahren der allerdings noch weit von seiner heutigen und sogar von früheren Formen entfernt war.
Von der Planung bis zum ersten Abschnitt
Die Planungen für das Kamener Kreuz hatten selbst am Tag der Eröffnung schon einige Jahrzehnte auf dem Buckel. Schon während der Weimarer Republik hatten die Planungen begonnen, denn Kamen fiel eine besondere Rolle im immer wichtiger werdenden Fernverkehr zu: Hier sollten sich zwei der geplanten Verkehrsadern kreuzen. Zum einen war das die „Hansalinie“, die Rheinland und Ruhrgebiet mit der Nordseeküste verbinden sollte - heute kennt man sie als A 1. Zum anderen war es die Reichsautobahn Ruhrgebiet-Berlin, die heutige A 2.
Da eine klassische Kreuzung bei Fernstraßen von Anfang an ausgeschlossen wurde, musste eine Alternative her. Abhilfe schuf dabei eine Idee, die je nach Überlieferung auf ein Patent aus den Amt für USA oder auf den Schlosserlehrling Willy Saarbach aus Basel zurückging. Der 17-jährige Tüftler erhielt im Jahr 1929 eine Patentschrift vom Eidgenössischen geistiges Eigentum unter dem Titel „Anlage einer Kreuzung oder Abzweigung von Autostraßen unter sich oder mit Landstraßen.“ Hinter der Bezeichnung steckte jene Kleeblattform, die die Verkehrsführung des Kamener Kreuzes für Jahrzehnte prägte.
Von Postkarten und Landstraßen
Die war bei der Eröffnung des Kamener Kreuzes allerdings weit von ihrer Fertigstellung entfernt. In den 1930er-Jahren wurden beim Bau der heutigen A 2 zwar die Brückenträger der A 1 im Kamener Kreuz gebaut, die Autobahn selbst noch nicht. Stück für Stück wuchs diese erst in den späteren Jahren.
Und so war der Weg auf der Nord-Süd-Trasse zu Beginn noch weit von einer durchgängigen Autobahn entfernt. Vielmehr wurde der Verkehr an der Ausfahrt Kamen-Nord in Höhe der Rottumer Straße abgeleitet. Über Landstraßen ging es einige Kilometer weiter, bevor man wieder Anschluss an das Fernstraßennetz fand.
Diese unfreiwillige Entschleunigung, die immerhin bis 1965 Bestand hatte, war jedoch längst nicht die einzige Kuriosität rund um die Eröffnung. So wurde das Ereignis in der Stadt natürlich auch gewürdigt, die damaligen Hotels„Preußischer Hof“ und „König von Preußen“ brachten zu diesem Anlass sogar eine Postkarte mit der Abbildung des vollständigen Kamener Kreuzes heraus.
Eine Broschüre informiert
Wenige Monate später sah sich dann auch die Verkehrsüberwachungsbereitschaft im Landespolizeibezirk Arnsberg, so die damalige Bezeichnung für die ansässige Autobahnpolizei, dazu veranlasst, ein Schriftstück herauszugeben. Statt einer Grußkarte war es jedoch eine Broschüre, in der auf anschauliche Weise verdeutlicht wurde, wie man die das halb fertige Kleeblatt denn zu befahren habe, um an den jeweiligen Wunschort zu kommen. Denn gewohnt waren die Verkehrsteilnehmer einen kreuzungsfreien Verkehr keinesfalls, Autobahnkreuze waren bundesweit noch eine Seltenheit.
Also wurden die Kreisel gerne mal ignoriert und es wurde munter gewendet, um in die jeweilige Wunschrichtung zu fahren. Leitplanken waren in dieser Zeit noch nicht vorhanden und so wurde der nicht ganz ungefährliche Richtungswechsel gern genutzt. Aus diesem Grund war es den Ordnungshütern „ein Bedürfnis und zugleich eine Verpflichtung, (...) das Kamener Kreuz mit dem Ziele zu erklären, Irrtümer und Gefahren weitgehend auszuschalten.“
Immerhin 18 Din-A4-Seiten voller Grafiken und Hinweisen kamen daher zusammen und gaben dem geneigten Fahrer ab März 1957 Nützliches für die Fahrt mit auf den Weg. Dazu zählten dann auch Hinweise, dass ein Halten zum Fotografieren des Bauwerkes nicht erlaubt sei.
Viele Veränderungen in den Folgejahren
In den 1960er-Jahren wurde mit der Vollendung der A 1 dann auch das Kamener Kreuz in als vollständiges Kleeblatt genutzt. Einige Jahrzehnte und weitere Baumaßnahmen später ist diese charakteristische Form jedoch aufgelöst und durch eine Rampe ersetzt worden.