Herr Schröder, mit 40.000 Beschäftigten trägt das Handwerk maßgeblich dazu bei, dass unsere Region „genial“ ist. Was muss passieren, dass es auch in Zukunft so bleibt?
Damit das Handwerk seine Rolle als Versorger, Ausbilder, Jobmotor und Innovator weiterhin erfüllen kann, brauchen die Betriebe vor allem ausreichend Fachkräfte, eine bezahlbare Energieversorgung und weniger bürokratische Hürden.
Laut einer Sonderumfrage, die wir kürzlich durchgeführt haben, verbringt mittlerweile jeder zweite Betrieb im Kammerbezirk Dortmund mehr als fünf Stunden zusätzlich pro Woche mit Bürokratie. Dadurch steht weniger Zeit für die Bearbeitung von Aufträgen zur Verfügung. Auch die Selbstständigkeit verliert an Attraktivität.
Darum müssen wir beim Abbau von Bürokratie deutlich Tempo machen, um die Unternehmen zu entlasten.
Welche Entlastungen sind noch notwendig?
Entlastungen muss es auch bei der Energieversorgung geben. Viele Handwerksbetriebe können ihre Mehrkosten nur bedingt an die Kundinnen und Kunden weitergeben und müssen seit Monaten die finanziellen Mehrbelastungen zum größten Teil selbst schultern. Ein Industriestrompreis ist hier nicht die Lösung. Wir brauchen bezahlbare Energie für alle, sonst stehen Existenzen auf dem Spiel.
Mit Blick auf die Baubranche ist es zudem wichtig, dass die auf dem Wohnungsbaugipfel beschlossenen Maßnahmen jetzt schnell und möglichst unbürokratisch umgesetzt werden. Steigenden Bau-, Finanzierungs- und Lebenshaltungskosten wirken sich zunehmend negativ auf die Nachfrage nach Bauleistungen aus. Die gut gefüllten Auftragsbücher leeren sich. Außerdem befürchten wir, dass die Beschäftigung im Baubereich noch in diesem Jahr abnehmen wird. Dadurch gehen wertvolle Fachkräfte verloren, die für die Umsetzung künftiger Bauvorhaben, zum Beispiel beim Wohnungsbau, dringend gebraucht werden
Die beruflichen Aussichten im Handwerk sind gut. Haben Sie den Eindruck, dass diese positive Perspektive bei den jungen Leuten mittlerweile angekommen ist und sie sich vermehrt für eine Ausbildung im Handwerk entscheiden?
Leider haben sich in den letzten Jahren zu viele junge Menschen zugunsten eines Studiums gegen eine Ausbildung im Handwerk entschieden. Das ist eine brisante Entwicklung, denn der Fachkräftemangel gefährdet auch den Betriebsbestand im Handwerk. Fast ein Viertel aller Betriebe im Kammerbezirk Dortmund muss in den nächsten Jahren übergeben werden. Viele haben deutliche Probleme, geeignete Nachfolger zu finden.
Um mehr junge Menschen für das Handwerk zu begeistern, brauchen wir zum Beispiel eine intensivierte Berufsorientierung an allen Schulformen, damit junge Menschen die guten Karriereperspektiven im Handwerk kennenlernen können und verstehen, dass man nicht nur mit einem Studium Erfolg haben kann. Darüber hinaus braucht es eine Attraktivitätssteigerung der dualen Ausbildung – zum Beispiel durch Veränderungen im öffentlichen Tarifrecht, beim Azubi-Wohnen oder der Förderung von Aufstiegsfortbildungen. Auch die Bildungszentren des Handwerks müssen modernisiert und damit gesichert sowie gestärkt werden.
Wir müssen auch dafür sorgen, dass die berufliche Bildung in der Öffentlichkeit die Wertschätzung erfährt, die sie verdient. Auf Landesebene setzen wir uns derzeit dafür ein, die Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Bildung auch rechtlich zu verankern.
Die HWK bietet darüber hinaus eine breit gefächerte Beratung für Unternehmen, Schülerinnen und Schüler sowie Eltern an, in deren Rahmen wir potenzielle Auszubildende an Unternehmen vermitteln und über die Karrierechancen im Handwerk aufklären.
Die Handwerksbetriebe stehen vor der Herausforderung, die aktuelle Situation zu meistern und gleichzeitig die Zukunft nicht aus dem Blick zu verlieren. Wie kann das gelingen?
Die eben erwähnten Rahmenbedingungen sind eine Grundvoraussetzung für den Erfolg unserer Unternehmen und sollten daher nicht aus dem Blick verloren werden.
Gleichzeitig nehmen Handwerksbetriebe eine Schlüsselrolle bei der Gestaltung unserer Zukunft ein. Denn ohne Handwerk lassen sich weder die Klimaschutzziele erreichen noch die Nachhaltigkeitsziele, für die viele junge Menschen auf die Straße gehen. Dortmunder Handwerkerinnen und Handwerker arbeiten bereits heute ganz praktisch daran, dass unser Leben nachhaltiger wird. Insofern hat das Handwerk bei allem, was es tut, die Zukunft im Blick.
Wie zufrieden sind Sie mit der Kampagne „Starke Frauen. Starkes Handwerk“?
Wir haben die Kampagne im Frühjahr 2022 gestartet, um noch mehr junge Frauen fürs Handwerk zu begeistern und Betriebe dafür zu sensibilisieren, bei der Suche nach Fachkräften verstärkt auf weibliche Unterstützung zu setzen.
Mit dem bisherigen Verlauf der Kampagne sind wir sehr zufrieden. Wir konnten bereits viele verschiedene Geschichten von Handwerkerinnen aus unserem Kammerbezirk erzählen und damit echte Vorbilder schaffen. Darüber hinaus zieht die Kampagne immer weitere Kreise bei anderen Handwerkskammern, Netzwerken zur Stärkung von Frauen oder sogar dem NRW-Gleichstellungsministerium.
Wie sehen Sie die Betriebe aufgestellt bei Themen wie Nachhaltigkeit und Klimaschutz?
Nachhaltigkeit war schon immer fest im Handwerk verankert. Die oftmals familiengeführten Betriebe denken an die nächste Generation und stellen wichtige Arbeits- und Ausbildungsplätze zur Verfügung. Handwerkliche Produkte sind von hoher Qualität, sodass sie lange halten und Ressourcen geschont werden. Darüber hinaus gehören Reparieren, Instandsetzen und Erhalten zu den Kernkompetenzen von Handwerksbetrieben. Auch beim Thema Migration versteht sich das Handwerk auf das Schaffen von Beschäftigungs- und Zukunftsperspektiven und trägt damit zu einer nachhaltigen Integration bei.
Um unsere Betriebe im Bereich der nachhaltigen Entwicklung zu unterstützen, hat die HWK Dortmund gemeinsam mit allen NRW-Kammern den Nachhaltigkeitscheck ‚Handwerk360°‘ entwickelt. Mit Hilfe des Kurzchecks können Betriebe ihren eigenen Status Quo bei der Nachhaltigkeit überprüfen und Maßnahmen zur Weiterentwicklung einleiten.
Was gibt Ihnen den Optimismus, dass 2024 ein gutes Jahr werden könnte?
Das Handwerk hat sich in den zurückliegenden Krisen immer wieder als Stabilitätsanker erwiesen. Ich bin daher optimistisch, dass wir auch die vor uns liegenden Herausforderungen meistern werden.
Wir haben in diesem Jahr auf vielen Ebenen gut und vertrauensvoll mit der Politik zusammengearbeitet. Ich glaube, dass die Bedeutung des Handwerks für unsere Klimaziele weithin erkannt wurde und dass wir in 2024 gemeinsam für gute Rahmenbedingungen sorgen können.
Die dramatische Lage in der Ukraine und in Israel haben noch einmal gezeigt, dass Frieden, Freiheit und körperliche Unversehrtheit in unserer Welt keine Selbstverständlichkeit ist. Trotz vieler Klagen über die Verhältnisse in unserem Land sollten wir dankbar dafür sein, hier in Frieden und Freiheit leben zu können. Aber für diese Freiheit müssen wir auch als Bürger einstehen und dürfen das Feld nicht denen überlassen, die Intoleranz, Ausgrenzung und Hass verbreiten.
Trotz allem blicke ich aber vorsichtig optimistisch in das neue Jahr. Das Handwerk wird seinen Beitrag dazu leisten, dass es ein möglichst positives Jahr wird. Interview: Alexandra von Braunschweig