BVB Vize-Meisterschaft - Kopf hoch, Jungs! Anzeige

Meisterliche Fans

Am Samstag um 17.30 Uhr liegt Borussia Dortmund am Boden. Wörtlich und bildlich. Als die Stille ohrenbetäubend wird, reicht die Südtribüne der gescheiterten Mannschaft die Hand.

Dortmunds Chef-Trainer Edin Terzic geht zu den Fans an den Zaun. FOTO KIRCHNER

Nach dem Aufprall folgt Stille. Fassungslosigkeit auf dem Rasen, auf den N Rängen. Nur 2:2 gegen den FSV Mainz 05. Dortmund nur Zweiter. Die Deutsche Meisterschaft verspielt. Entsetzen aller Orten seit 17.28 Uhr, als Borussia Dortmunds Titelträume mit dem Abpfiff von Schiedsrichter Marco Fritz zerplatzen. Ein Drama. Eine sportliche Tragödie. Als die ersten am Boden liegenden BVB-Profis aus ihrer Schockstarre heraus auf die Beine kommen, spielen sich bemerkenswerte Szenen im Signal Iduna Park ab. Hauptdarsteller: Die Südtribüne, die mit ersten Gesängen und Sprechchören das Schweigen im Stadion beendet. Statt Frust, was nachvollziehbar gewesen wäre, spenden die treuesten Fans ihren gescheiterten Helden Trost. In unnachahmlicher Manier.

Im Mittelpunkt: BVB-Trainer Edin Terzic. Der 40-Jährige hatte gerade noch versucht, seine trauernden Spieler aufzumuntern. Gut gemeinte Worte, die verhallen im Echo des donnernden Niederschlags. Nur zögerlich kommen die Spieler den Rufen der Fans nach und nähern sich der Gelben Wand. Bis auf der Südtribüne die Ultras ein unnachahmliches Gespür für die Situation beweisen.

BVB-Trainer Terzic sagt Danke

„Wir sind alle Dortmunder Jungs!", „Borussia Dortmund wird nie untergeh'n!", „Und wenn du das Spiel gewinnst". Und dann Sprechchöre für Edin Terzic. Den Trainer, den sie alle lieben, weil er einer von ihnen ist, weil er damals zwischen ihnen stand. Unter Tränen geht der der Coach ein paar Schritte in Richtung Süd. Winkt. Dankt. Klopft sich auf die Brust, kann seine Emotionen nicht mehr verbergen. Tränen kullern. Wenn du ganz am Boden liegst, die vielleicht größte Meisterchance des Lebens mit deiner Mannschaft vergeigst, und dann vom Gesang von 25.000 Zuschauern im freien Fall aufgefangen wirst, dann fällst du weicher, als man es erhoffen darf. Kurz reckt Terzic beide Fäuste hoch. Noch fehlt die Kraft. Noch schmerzt der Knockout. Aber das soll sich ändern, sobald es das Gemüt wieder zulässt.

„Ich verspüre Dankbarkeit", formuliert Terzic auf der Pressekonferenz. „Wir haben am Anfang der Saison gesagt, dass es unmöglich für uns sein wird, uns nur auf die Spieler zu verlassen, sondern dass wir jeden Mitarbeiter, jeden Fan brauchen, um das Maximale zu erreichen. Dieser bedingungslose Support, trotz der Rückschläge und schwierigen Momente. Das heute ist definitiv der schwerste sportliche Moment." Sein Fazit mit Blick auf die BVB-Anhänger: „Es lag definitiv nicht an unseren Zuschauern. Sie waren und werden immer für uns da sein. Es tut uns weh, dass wir sie nicht belohnen konnten."

Die Frage danach, welcher Block auf der Fußballwelt nach diesem grandiosen Scheitern beim x-ten Versuch, erneut Deutscher Meister zu werden, ähnlich empathisch und aufmunternd reagiert, ist müßig. Aber wenn schon Scheitern, dann mit Anstand und Würde. Als alle um Worte ringen nach diesem „krassen Wechselbad der Gefühle" (Julian Brandt), stehen die Fans wie eine Wand hinter ihrer Mannschaft.

Die Spieler müssen noch einen schweren Gang antreten. Zu Füßen der Südtribüne klatschen sie mit den Fans an den Zäunen ab. Hunderte Hände, Schulterklopfen, Zuspruch. Wenig wird durchgedrungen sein zu ihnen durch die tosende Stille dieses sportlichen Schicksalsschlags.

„Ich kann nur allen sagen, dass wir ab einem gewissen Moment wieder nach vorne schauen und angreifen werden. So wie die Fans es draußen gesungen haben: ,Borussia Dortmund wird nie untergehn'. Das fühlt sich heute ganz schwierig an. Aber wir werden wieder aufstehen."

Ein schmerzhafter Fehltritt

Der Schulterschluss zwischen Mannschaft und Fans, Terzic als verbindendes Element aller Borussen: Als der BVB schwer getroffen daniederliegt, halten diese Bande auch dem ultimativen Belastungstest stand. Das wiegt die Trauer um den verpassten Titel nicht auf. Aber es birgt Anzeichen, dass diese Niederlage für die Schwarzgelben nicht das Ende, sondern ein schmerzhafter Zwischenschritt ist auf dem Weg zu einer noch stärkeren Einheit. Jürgen Koers